Von meinen regelmäßigen Wandertouren komme ich erfahrungsgemäß immer mit unfassbaren Nackenschmerzen nach Hause. Warum? Ganz klar: Ich als interessierte Kräutertante kann nicht anders. Selbst das kleinste Pflänzchen, Gräslein oder Blümlein will ich auf keinen Fall verpassen. Kopf nach unten, permanent. Schließlich kann man die großen, grauen Berge ganz wunderbar auch von unten betrachten. Geht es aber um megacoole Bergkräuter wie Arnika, Edelweiß und alle möglichen Enzianarten, bin ich wie hypnotisiert. Vor allem, weil sie es echt drauf haben: Mal ganz abgesehen davon, dass oben am Berg ein „ganz anderer Wind weht“, haben alle Kräuter ab einer gewissen Meereshöhe viel mehr Power, da sie zum Beispiel mit stärkerer UV-Strahlung und kurzen Wärmeperioden klar kommen müssen. Es ist hart und stressig. Die verweichlichten Talkräuter können da absolut nicht mithalten, von den verwöhnten Gartenkräutern ganz zu schweigen.
Kein Wunder also, dass da bei so manchem Berggewächs die Laune nicht ganz so gut ist. Allen voran sei hier ein alter Grantelgreiß namens Enzian zu erwähnen. Er ist durch und durch (ver)bitter(t).
Die schlechte Laune zieht sich von den stachelig aussehenden Blütenknospen über die spitzig zulaufenden Blätter bis hin zur Wurzel, welche vergleichsweise sogar die meisten Bitterstoffe von allen hiesigen Pflanzen überhaupt enthält.
Kurzes Klugscheißerwissen:
Für therapeutische Zwecke oder den leckeren (naja, darüber lässt sich streiten!) Enzianschnaps werden die Wurzeln des gelben Enzians verwendet. Der blaue Enzian hat relativ kleine Wurzeln, dafür aber eine wunderschöne Blüte. Daher darf er das Etikett der Schnapsflasche zieren und den Applaus einheimsen, während einer der gelben Kollegen mal wieder arbeiten muss und vielleicht auch deswegen nur noch schlechtere Laune kriegt – falls das überhaupt noch möglich ist. Nur gut, dass er unter Naturschutz steht. Manchmal kommt es mir fast so vor, als ob nicht der grantlgreißige Enzian vor uns, sondern wir vor seiner Laune beschützt werden soll. Aber bitte sagt ihm das nicht, sonst gibt es großen Ärger – und das ist mein bitterer Ernst.